Palermo, Samstag 21. März 2020



Liebe Freunde,

der Bürgermeister von Palermo ist fuchsteufelswild. ‚Das ist ein Befehl, keine Bitte!’, schrie er in seinem Online-Video. Die Palermitaner wollen einfach nicht zu Hause in Quarantäne bleiben und tun halt weiter, was sie immer tun. Das bedeutet das in Gruppen auf der Straße herumstehen und die aktuelle Lage zu beklagen, meist ist es das Wetter, der Müll, die schlechte Internetverbindung, die Regierung und der Bürgermeister – und jetzt halt Corona. Ist ja wirklich ärgerlich, aber wie man sich erzählt, soll das jetzt bald vorbei sein. Bei 27 Grad – so die einhellige Meinung in Palermo – stirbt das Virus ab, jetzt haben wir 20 Grad, kann sich also nur noch um Tage handeln bis das Virus hier in Palermo keine Überlebenschance mehr hat.

Nun stehen Palermitaner aber nicht nur auf der Straße herum sondern sie haben auch Traditionen. Wie wir im Ländle zündeln sie gern. Wir haben es ja gerade noch geschafft, unsere Funken vor der Ausgangssperre abzubrennen, aber die ‚Fuochi di San Giuseppe’, also die Funken für den heiligen Josef, brennt man in Palermo grad jetzt ab. Im Land des Papstes ist man katholisch und tut alles, um nicht irgendwann in der Hölle zu schmoren. Das Josefsfeuer funktioniert ein bisschen anders als bei uns, wo es Funkenzünfte gibt und wo man sich irgendeinen Platz im Grünen aussucht, die Feuerwehr in Planung und Durchführung mit einbindet und, wenn es ganz rührig wird, Volksschulkinder den Funken anzünden dürfen.

Hier in Palermo baut jeder, der will, irgendeinen Haufen mit brennbarem Zeug zusammen und zündet diesen an. Das macht man auf der Straße oder auf einem kleinen Platz, wo es sich halt grad ausgeht. Viel Benzin drauf ist immer gut, dann macht das so einen tollen WUMMS beim Anzünden. Anschließend wartet man, bis er abgebrannt ist – oder die Feuerwehr kommt und den Funken löscht. Zurück bleibt dann eine schwarze stinkende Skulptur, die sich meist erst gegen Ostern mit dem Regen langsam auflöst. Der Freiwilligeneifer der meist Jugendlichen ist manchmal so groß, dass sie riesige Funken auf kleinen Plätzen bauen und dann auch noch die ganzen Fenster rundum zerspringen. Der Coronavirus hat diese Tradition jetzt nicht so sehr unterbrochen und laut offiziellen Angaben sind gestern von der Feuerwehr an die 50 Funken gelöscht worden bevor sie ausbrannten.

Doch auch andere katholische Traditionen werden in Palermo hoch gehalten. Das Rosenkranzbeten zum Beispiel. Während die Funken eher die männlichen Katholiken als Zielgruppe hat, ist es beim Rosenkranz eindeutig die weibliche Zielgruppe, die hier von mehreren TV- und Radiostationen bedient wird. Die Werbespots zwischen den Rosenkränzen zeugen hier von einem großen Markt für Gebetsartikel, Pilgerreisen, Rheumaprodukte und Schmerzmittel. Es gibt sogar einen Tee, der bei Altersinkontinenz hilft. Wie jede TV-Anstalt versuchen natürlich auch die Bet-TVs sich gegenseitig zu überbieten. Es ist wie beim Fußball. Die RAI hat die Morgenmesse vom Papst, das Berlusconi-TV einen hübschen Priester und andächtige Nonnen im Morgenprogramm und die Ganztagesgebetssender haben ein Mitmachprogramm. Jetzt bieten alle Sender spezielle Corona-Rosenkranz-Sessions an und ein neuer Satelliten-TV-Bet-Sender hat auch noch szenographische Angaben gemacht, wie man beim Beten auch gleich noch den Coronovirus abwehren kann: dazu soll man während dem Beten des Rosenkranzes zwei Kerzen auf den Balkon stellen. Die Italiener haben ja alle einen Balkon, darum haben sie ja auch mit dieser Corona-Balkon-Musik begonnen. Eine Mutter und ihre Tochter im volkstümlichen Brancaccio-Viertel schauten das neue Satelliten-TV-Betprogramm und waren so vertieft in ihren Rosenkranz, dass sie erst viel zu spät merkten, dass die Balkonvorhänge Feuer gefangen hatten. Vielleicht haben sie auch gedacht, es wäre ein Wunder: Gott zeigt sich ja gern in einem brennenden Dornbusch, warum nicht auch auf einem brennenden Balkon. Jetzt war es jedoch so, dass alle Feuerwehrleute in Palermo wie wild die San-Giuseppe-Feuer löschen waren und Wohnung der Betenden daher richtig gut ausbrannte und Mutter und Tochter auch noch leichte Verbrennungen erlitten. 

Übrigens wird morgen für 27 Grad gebetet, der Wetterbericht ist noch dagegen, aber bei gemeinsamer Gebetspower wird sich das sicherlich noch ändern. Und noch eine gute Nachricht, die gestern Abend alle Nachrichtensender verbreiteten: der Papst hat jetzt erklärt, wie man seine Sünden vergeben bekommt ohne bei einem Priester zu beichten:


diese Breaking News behielt sich der Vatikan für seinen eigenen Youtoube-Blog vor. Wer noch ein wenig warten kann, bekommt die Vergebung aber eh automatisch. Neueste Breaking News von heute: Ostern wird nicht verschoben und es gibt einen Generalablass.


Jürgen Weishäupl

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