Liebe Freunde,
Die letzte Woche war urfad. Es schiffte in Einem durch. Die ganze
Stadt war überschwemmt, das war jedem wurscht. Zu normalen Zeiten fahren sie
dann mit ihren Rostkübeln trotzdem mitten in die innerstädtischen Überschwemmungsgebiete.
Das Wasser rinnt somit in den lecken Auspuff – so was wie ein Pickerl gibt es
hier nicht, man reitet das Auto bis zum Schluss – und das Auto verreckt
natürlich in den Wassermassen. Dann geht gar nichts mehr weiter und alle
schimpfen auf den Bürgermeister, der könnte doch endlich mal die Kanalisation
reparieren und der schimpft auf den vorigen Bürgermeister, das hätte der ja
machen sollen. Aber jetzt gab es nur ein niedliches Youtube-Video, wie ein
Hundewelpe durch die Altstadt schwimmt, und der Bürgermeister bedankte sich bei
den Bürgern, dass sie alle so brav zu Hause blieben.
Auch ich blieb zu Hause. Zum Metzger darf ich nicht mehr,
nachdem meine Frau meiner Schwiegermutter meinen Blog übersetzte und heraus
kam, dass unsere Mortadella wahrscheinlich coronaverseucht ist. Sie landete im
Biomüll. Mein Weg führte mich die Woche vom Kinderzimmer meiner Schwägerin zur
Terrasse, von der Terrasse in die Küche, von dort ins Wohnzimmer, dann wieder
zurück in mein Kinderzimmer-Homeoffice und dann wieder auf die Terrasse zum
Rauchen. Da ist es jetzt still. Den Palermitaner ist die Balkonsingerei auch irgendwann
zu deppert geworden und sie widmen sich anscheinend lieber der häuslichen
Gewalt. Das ist sogar den Hunden zu viel und die sitzen jetzt alle auf den
Balkonen und schauen unmotiviert durch die Gegend. So bin ich zu meinem neuen
Hobby gekommen. Das hat mir mein guter Freund Jimmy vor vielen Jahren
beigebracht: Wenn man bellt, dann bellen auch die Hunde. Ist irgendein
komisches Imprinting bei denen. Ich mach das einmal am Morgen nach dem
Frühstück und dann am Nachmittag irgendwann zwischen Kaffee und Aperitif. Ich
bin da schon richtig gut geworden und feile täglich an meiner perfekten
Bellstimme. Man darf nicht zu hoch bellen, auch nicht zu tief, das Bellen muss
sympathisch klingen, aber doch bestimmt, nicht aggressiv, sondern einfach zum
Mitbellen animieren. Das tun die ganzen Hunde auf den Balkonen dann auch
leidenschaftlich. Meist muss man nur einmal richtig animieren und dann geht es
eh automatisch weiter, meist finden sich genug Hunde, die dann mit ihrem Bellen
auch noch weitere Balkone anstecken. Wenn es droht abzuflachen, kann man
einfach nochmals hinein bellen. Man kann auch Variieren, also so tun, als wäre
man selber eigentlich mehr als nur ein Hund. Dann vielleicht doch mal kurz hoch
bellen. Auch gut kommt für zwischendurch so eine Art knurrendes Bellen, das
macht aber total heiser, das schaff ich meistens nur, wenn ich schon beim
Aperitif bin.
Dafür ist es schön zu beobachten, dass sich die Sizilianer
wieder ihrer Traditionen und lokalen Werte besinnen. Das soll ja auch bei uns
so sein, wie ich höre, man häkelt Topflappen, isst die Eier aus dem eigenen Dorf
und wird selber Erntehelfer. Hier wendet man sich einer verloren gegangen
Kulturtechnik zu, dem so genannten Banditismus. Über Jahrhunderte waren hier
ganze Dörfer in diesem Berufszweig tätig und da dachten ein paar gelangweilte
Palermitaner, das könnte man ja einfach wieder mal aufleben lassen.
Technologisch hochgerüstet planten sie ein Banditentum 4.0 und gründeten eine
WhatsApp-Gruppe. Die Idee war ganz einfach: Man macht sich einen Supermarkt
aus, vermummt ist man eh schon, dann stürmt man gemeinsam hinein, holt das Geld
aus den Kassen, nimmt noch ein paar Schokoriegel und Kaugummis mit, keiner
rangelt, weil sie ja alle den Sicherheitsabstand von einem Meter einhalten
müssen und man geht wieder unerkannt hinaus. Die Idee war so genial, dass sie
die Idee auf What’s App weiter teilten und wahrscheinlich auch mit irgendeinem, der nichts vom lokalen Kulturerbe verstand und die Carabinieri kontaktierte.
Die Carabinieri fanden das eine super Möglichkeit zu zeigen, dass sie trotz
Coronavirus voll einsatzfähig sind und verständigten die Medien. Die Medien
berichteten groß darüber, und die Palermitaner fanden, da wär jetzt endlich mal
was los, das Wasser in den Strassen war eh gesunken, und fuhren alle hin. Außer
einem Stau passierte dann nichts, denn der Zeitpunkt war schlecht gewählt: der
Papst hatte in seiner Sündenerlass-Fixierung ja noch einen drauf gelegt und am
Tag zuvor einen Generalablass für alle vor den Fernsehgeräten oder über
sonstige neue Geräte zugeschalteten Gläubigen verfügt.
Es tut halt jeder sein Ding. ‚Do your Thing’, super Song von Moondog:
Aloha,
Jürgen Weishäupl