Palermo, Dienstag, 18. März 2020


Liebe Freunde,

es geht uns ja allen momentan irgendwie gleich, man erkennt plötzlich Dinge, die einem vorher nie im Leben aufgefallen wären. Ich erkenne zum Beispiel den Unterschied zwischen verschiedenen Desinfektionsgels. Das erste Fläschchen, das ich ständig bei mir trug war total erfrischend, richtig fein war das. Sobald ich dieses furzähnliche Geräusch hörte, welches den Gelerguss in meine Hand begleitete, spürte ich schon diese angenehme Kühle, die sich dann verstärkte wenn man sich die Hände rieb. Ich hab mich sogar dabei ertappt, dass ich mir bei zu viel Gelauftrag das Gel zur Erfrischung und Linderung meines Sonnenbrands ins Gesicht schmierte. Jetzt ist alles anders. Ich habe ein neues Gelfläschchen und mag das gar nicht. Es furzt nicht, sondern macht ein komisches Gurgelgeräusch, es ist nicht erfrischend und kühl und vor allem pickt es. Sicher eine halbe Minute lang kleben einem die Finger aufeinander und wenn man es oft hinter einander verwendet, dann hat man plötzlich so radiergummirestähnliche Rubbelknödel in der Hand, so wir mir das gestern Nacht passierte, wenn man sich dauernd einschmiert, da man Carabinieri, Notärzte und einen Toten in der Wohnung hat.

Ein Mieter in einer WG meiner Schwiegermutter starb und ich führte zum ersten Mal meine neuen Turnschuhe aus. Mit einem überschwänglichen ‚Endlich’ - als würden wir Brot nach einer Hungernot bringen - begrüßte uns in der Wohnung der halbdicke Carabiniere, der jedoch gleich auf ‚sofort’ in einen Dauer-subito-subito-subito-Gesang wechselte, da er fälschlicherweise annahm wir hätten jetzt eine Ausweiskopie des Toten mitgebracht. Die Notärzte und das Rettungsteam stimmten in den Gesang ein, sie bräuchten den Ausweis, sie bräuchten den Ausweis, sie bräuchten den Ausweis, sonst wissen sie ja nicht, auf wen sie den Totenschein ausstellen sollen. Der Carabiniere immer weiter ‚Subito, subito, subito, wir brauchen eine Ausweiskopie, bringen sie die’. Meine Schwiegermutter dazu ‚Der Vertrag mit der Kopie liegt im Büro, ich muss die Sekretärin fragen’, ‚subito, subito, subito’, der Carabiniere. ‚Wie sollen wir den Totenschein ohne Ausweis ausstellen?’, die Notärzte, ‚Da muss ich die Sekretärin fragen’, meine Schwiegermutter, ‚Subito, subito’ der Carabiniere, der dann plötzlich umschwenkte, den Sicherheitsabstand von einem Meter nicht mehr einhielt, meine Schwiegermutter zur Seite zog und überlegen meinte, er wisse schon, warum sie den Vertrag mit der Ausweiskopie nicht holen will, weil sie das Zimmer sicher schwarz vermieten würde. Eine Frechheit, meinte meine Schwiegermutter und wollte gerade loslegen, da schritt ich ein und sagte mit einem Tonfall, wie ihn in italienischen Kriegsfilmen die Nazis haben: ‚Wenn der Tote hier wohnt, wird er wohl in seinem Zimmer einen Ausweis haben. Sie gehen jetzt in das Zimmer und suchen den Ausweis, parallel kontaktieren wir die Sekretärin, um den Ablageort des Vertrags zu eruieren und falls Sie keinen Ausweis finden, können wir den Vertrag mit Ausweiskopie hohlen. Also, gehen sie jetzt in das Zimmer und suchen sie den Ausweis.’ Ich wurde dabei immer lauter und hätte beinah ‚Heil’ geschrien, ich erinnerte mich an meine Statistenrolle als Nazi in einem italienischen Kriegsfilm, ein total brutaler Film, da hatten wir die italienischen Gefangenen einfach erschossen. Der Carabiniere schnaufte tief und lief ins Zimmer zu dem Toten, ich rieb mir ein bisschen Gel in die Hände und meine Schwiegermutter rief die Sekretärin an.

Der Tote hatte seinen Ausweis wohl sehr gut versteckt und um die Wartezeit zu überbrücken und die Situation etwas zu entspannen erzählte ich meiner Schwiegermutter einen Carabinieri-Witz. Die sind in Italien so beliebt wie bei uns die Burgenländerwitze. Mir fiel einer ein, den Berlusconi als Premier anlässlich der offiziellen staatlichen 150-Jahr-Feier der Carabinieri am Ende seine Rede vortrug. Er meinte, wenn er schon in einem Raum mit so vielen Carabinieri wäre, dann müsste er einfach einen Carabinieri-Witz erzählen, und der ging so:

Findet ein Carabiniere einen Pinguin und bringt ihn ins Kommissariat. Sagt der Kommandant ‚Was machst Du denn mit dem Pinguin hier, bring in ihn den Zoo’. Der Carabiniere verschwindet und später am Tag trifft ihn der Kommandant mit dem Pinguin in einem Cafe. Sagt der Kommandant ‚Was machst Du denn mit dem Pinguin hier, du solltest ihn doch zum Zoo bringen.’ ‚Da waren wir auch’, der Carabiniere, ‚dann sind wir ins Kino und jetzt essen wir ein Eis’.

Hier übrigens im Original:


Mit einem überglücklichen langen ‚Aaaaaaaaaahhhhhh’ als hätte er den Lottojackpot, kam der Carabiniere aus dem Totenzimmer gelaufen, knallte mit einer Siegesgeste den Ausweis des Toten auf den Tisch und wir konnten wieder gehen.



Jürgen Weishäupl

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