Liebe Freunde,
meist sind es ja Schmetterlinge in Brasilien, die dann
Tornados in den USA auslösen. Dann gibt es Fledermäuse in China, die zu
weltweiten Maskierungen führen. In meinem Fall war es der Regen im Oktober 1992
in Florenz, der mein diesjähriges Ostergeschenk auslöste. So nenne ich nun den
hässlichsten Roller, den Piaggio je gebaut hat, mein eigen. Es handelt sich um
den Piaggio Super Hexagon GTX 180, ein sogenannter Sofaroller aus dem Jahr
2000, der dem Toten aus der WG meiner Schwiegermutter gehörte.
1992 begann super. Ich hatte in meinem Zirkusbüro einen
tragbaren Computer, ein tragbares Telefon, einen tragbaren Drucker und vor
allem ein tragbares Faxgerät. Man war dann, was man heute mobil nennt, smart
war es jedenfalls nicht – dafür aber meine Entscheidung, mein Herbstsemester
anstatt in Wien in Florenz zu verbringen, um des Italienischen mächtig zu
werden.
In Florenz lebte ich mich relativ schnell ein: coole WG,
süße florentinische Freundin, strenge Italienischschule und lukrativer Marktjob
auf Provisionsbasis, man musste deutschen Touristen Plastikjacken als
Lederjacken verkaufen. Mein Boss hatte dazu ein geniales Verkaufsmodell
ersonnen. Er hatte super Lederjacken. Die Deutschen kamen und ich ließ sie das
tolle Leder fühlen, sie konnten die Verarbeitung anschauen, am Leder riechen
und dann die Lederjacke probieren. Doch die hatte der Boss so schneidern
lassen, dass sie keinem passen konnte. Entweder urlange Ärmel, oder viel zu
breite Schultern oder an der Taille zu eng. Sofort hatte ich dann natürlich
eine passende Lederjacke vom selben Modell zur Hand und die Deutschen konnten
sich im Spiegel gar nicht satt sehen an ihrem Ebenbild in solch einer tollen
Lederjacke. Nur war die dann aus Plastik, was die Deutschen aber nicht merkten,
da sie ja die Qualität an der unpassenden schon geprüft hatten und sich jetzt
nur noch im Spiegel betrachteten. Dann wollen sie die Jacke natürlich kaufen, müssen
dann aber den Preis verhandeln, weil das im Reiseführer so drinnen steht, dass
man in Italien den Preis verhandelt, vor allem am Markt. Das ist für die immer
die größte Qual, da steht dann die Frau, der Freund oder gleich die ganze
Reisegruppe daneben und lauscht zu, ob der jetzt das Verhandeln kann oder
nicht. Man hörte das Raunen, wenn ich nach dem ersten vom Deutschen genannten
Preis die Lederjacke – eigentlich ja die Plastikjacke – einfach wieder
aufhängte und ‚Arrivederci’ sagte – und der Boss kam und weiter verhandelte.
Bei fünf Prozent Nachlass klopften sie sich dann gegenseitig auf die Schulter,
von wegen hartem Verhandeln, aber coole Lederjacke.
Und dann begann der Regen, der Dauerregen, der dazu führte
das Florenz zu großen Teilen unter Wasser stand. Ich packte meine Sachen, ging
zum Bahnhof, kaufte mir eine Zeitung, schaute wo es in Italien am wärmsten war
und kaufte mir ein Ticket nach Palermo.
Und wegen diesem Floretiner Regen suchte ich heuer statt
Ostereiern im Garten einen Sofarollerschlüssel im Zimmer eines Toten, denn
wegen seiner Schulden wollten die Erben das Erbe nicht antreten, und dann
gehören seine Sachen scheinbar dem, bei dem sie sind. Bei Ostereiern geht die
Suche immer gut aus, ich kann mich an keine Ostern erinnern, wo ich die Eier
nicht gefunden hätte. Aber dieser verdammte Sofarollerschlüssel war nirgends zu
finden. Er wird ihn doch hoffentlich nicht eingesteckt haben? Dieser Gedanke
ließ mich nicht mehr los, aber ihn deswegen wieder ausbuddeln zu lassen, wäre
doch ein wenig übertrieben, dachte ich mir. So bleibt mir nichts als die
Vorfreude auf eine schöne Ausfahrt mit meiner Piaggio Super Hexagon GTX 180 und
ich hoffe, die wird genau so schön wie mit meiner alten Vespa, die mir leider
gestohlen wurde. Wie schön das war:
Frohe Ostern.
Jürgen
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