Liebe Freunde,
der Bürgermeister von Palermo ist fuchsteufelswild. ‚Das ist
ein Befehl, keine Bitte!’, schrie er in seinem Online-Video. Die Palermitaner
wollen einfach nicht zu Hause in Quarantäne bleiben und tun halt weiter, was
sie immer tun. Das bedeutet das in Gruppen auf der Straße herumstehen und die aktuelle Lage zu
beklagen, meist ist
es das Wetter, der Müll, die schlechte Internetverbindung, die Regierung und
der Bürgermeister – und jetzt halt Corona. Ist ja wirklich ärgerlich, aber wie
man sich erzählt, soll das jetzt bald vorbei sein. Bei 27 Grad – so die
einhellige Meinung in Palermo – stirbt das Virus ab, jetzt haben wir 20 Grad,
kann sich also nur noch um Tage handeln bis das Virus hier in Palermo keine
Überlebenschance mehr hat.
Nun stehen Palermitaner aber nicht nur auf der Straße herum
sondern sie haben auch Traditionen. Wie wir im Ländle zündeln sie gern. Wir
haben es ja gerade noch geschafft, unsere Funken vor der Ausgangssperre
abzubrennen, aber die ‚Fuochi di San Giuseppe’, also die Funken für den
heiligen Josef, brennt man in Palermo grad jetzt ab. Im Land des Papstes ist
man katholisch und tut alles, um nicht irgendwann in der Hölle zu schmoren. Das
Josefsfeuer funktioniert ein bisschen anders als bei uns, wo es Funkenzünfte
gibt und wo man sich irgendeinen Platz im Grünen aussucht, die Feuerwehr in
Planung und Durchführung mit einbindet und, wenn es ganz rührig wird,
Volksschulkinder den Funken anzünden dürfen.
Hier in Palermo baut jeder, der will, irgendeinen Haufen mit
brennbarem Zeug zusammen und zündet diesen an. Das macht man auf der Straße
oder auf einem kleinen Platz, wo es sich halt grad ausgeht. Viel Benzin drauf
ist immer gut, dann
macht das so einen tollen WUMMS beim Anzünden. Anschließend wartet man, bis er
abgebrannt ist – oder die Feuerwehr kommt und den Funken löscht. Zurück bleibt
dann eine schwarze stinkende Skulptur, die sich meist erst gegen Ostern mit dem
Regen langsam auflöst. Der Freiwilligeneifer der meist Jugendlichen ist
manchmal so groß, dass sie riesige Funken auf kleinen Plätzen bauen und dann
auch noch die ganzen Fenster rundum zerspringen. Der Coronavirus hat diese
Tradition jetzt nicht so sehr unterbrochen und laut offiziellen Angaben sind
gestern von der Feuerwehr an die 50 Funken gelöscht worden bevor sie
ausbrannten.
Doch auch andere katholische Traditionen werden in Palermo
hoch gehalten. Das Rosenkranzbeten zum Beispiel. Während die Funken eher die
männlichen Katholiken als Zielgruppe hat, ist es beim Rosenkranz eindeutig die
weibliche Zielgruppe, die hier von mehreren TV- und Radiostationen bedient
wird. Die Werbespots zwischen den Rosenkränzen zeugen hier von einem großen
Markt für Gebetsartikel, Pilgerreisen, Rheumaprodukte und Schmerzmittel. Es
gibt sogar einen Tee, der bei Altersinkontinenz hilft. Wie jede TV-Anstalt
versuchen natürlich auch die Bet-TVs sich gegenseitig zu überbieten. Es ist wie
beim Fußball. Die RAI hat die Morgenmesse vom Papst, das Berlusconi-TV einen
hübschen Priester und andächtige Nonnen im Morgenprogramm und die
Ganztagesgebetssender haben ein Mitmachprogramm. Jetzt bieten alle Sender
spezielle Corona-Rosenkranz-Sessions an und ein neuer Satelliten-TV-Bet-Sender
hat auch noch szenographische Angaben gemacht, wie man beim Beten auch gleich
noch den Coronovirus abwehren kann: dazu soll man während dem Beten des
Rosenkranzes zwei Kerzen auf den Balkon stellen. Die Italiener haben ja alle
einen Balkon, darum haben sie ja auch mit dieser Corona-Balkon-Musik begonnen. Eine
Mutter und ihre Tochter im volkstümlichen Brancaccio-Viertel schauten das neue
Satelliten-TV-Betprogramm und waren so vertieft in ihren Rosenkranz, dass sie
erst viel zu spät merkten, dass die Balkonvorhänge Feuer gefangen hatten.
Vielleicht haben sie auch gedacht, es wäre ein Wunder: Gott zeigt sich ja gern
in einem brennenden Dornbusch, warum nicht auch auf einem brennenden Balkon.
Jetzt war es jedoch so, dass alle Feuerwehrleute in Palermo wie wild die
San-Giuseppe-Feuer löschen waren und Wohnung der Betenden daher richtig gut
ausbrannte und Mutter und Tochter auch noch leichte Verbrennungen
erlitten.
Übrigens wird morgen für 27 Grad gebetet, der Wetterbericht
ist noch dagegen, aber bei gemeinsamer Gebetspower wird sich das sicherlich
noch ändern. Und noch eine gute Nachricht, die gestern Abend alle
Nachrichtensender verbreiteten: der Papst hat jetzt erklärt, wie man seine
Sünden vergeben bekommt ohne bei einem Priester zu beichten:
diese Breaking News behielt sich der Vatikan für seinen
eigenen Youtoube-Blog vor. Wer noch ein wenig warten kann, bekommt die
Vergebung aber eh automatisch. Neueste Breaking News von heute: Ostern wird
nicht verschoben und es gibt einen Generalablass.
Jürgen Weishäupl
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