Liebe Freunde,
jetzt sitz ich auf meiner Insel im Mittelmeer und denke
plötzlich an Zuhause, ans Hoamatle, oh Hoamatle. Dabei schau ich mir die ganzen
Kinderfotos meiner Schulfreunde auf Facebook an, wo überall drunter steht
‚Challenge angenommen’. Oh Gott, denke ich, schon wieder eine Challenge und
denke verängstigt daran zurück, als mich der Bürgermeister von Triest in so
einer Challenge nannte und ich mir zum Gaudium der lokalen Medien einen
Eiskübel über den Kopf schütten musste. Jetzt könnte ich nicht mal teilnehmen,
meine Kinderfotoalben sind ja alle daheim. Da bleibt einem nichts anderes
übrig als ohne Fotos in den Kindheitserinnerungen zu stöbern. Und da fallen mir
sofort Feuerwehrfeste ein. Die gab es in meiner Kindheit zuhauf. Man nannte
einfach alles Feuerfest, egal ob es jetzt das ‚Zeltfest des FC Unterfeld’ oder
das ‚Zeltfest der Lauteracher Pfadfinder war’, man sagte einfach immer
‚Feuerfest’. Das steht für Qualität und ist wahrscheinlich ähnlich wie beim Papiertaschentuch.
Da sagt man auch ‚Hosch a Tempo?’ und setzt verwundert hinzu ‚Oh, it’s a
Feh’. Feuerwehrfeste verbinde ich sofort
mit dem Song ‚Frau Meier’
Frau Meier, Frau Meier,
hot gelbe Unterhosen an,
mit rote Mascherln dran,
ja das ist schön.
Das Lied entfachte schon in meiner Kindheit die wildesten
Fantasien, das mit der gelben Unterhose konnte ich mir vorstellen – aber wo
sind dann dort die roten Mascherl dran? Bis heute grüble ich darüber nach. Außer
an gelbe Unterhosen denke ich bei Feuerwehrfesten auch immer an unseren
Dorftrottel. Also wir hatten eigentlich zwei Dorftrottel, der eine ging immer
auf Feuerfeste, der andere immer in die Sonntagsmesse. Der, der auf die
Feuerwehrfeste ging, konnte reden und war groß, sehr groß, er hatte rote Haare
und einen immer roten Kopf: daher nannte man ihn auch den Sozi. Andere
Zuschreibungen wie Mostschädel oder Suffkopf verband ich daher viele Jahre lang
mit dem Sozialismus. Während also der Sozi riesengroß war, war der andere
Dorftrottel, klein, sehr klein sogar und redete nicht. Wenn er mal einen Laut
von sich gab, dann war das irgendein unverständliches Gebrummel. Meine
Großmutter erklärte mir auch, was passiert war: Als er klein war, wurde er von
einem Auto überfahren und da ist ihm das Hirn ausgeronnen und weil sie im
Krankenhaus kein menschliches Hirn hatten, hat man ihm dann ein Kalbshirn
hineingegeben. Darum heißt er auch Kalb. Eh logisch. Darum kann er auch nicht
mehr reden, sondern das ist also ein Muhen. Doch das tat er fast nie, wenn man
ihn grüßte, hat er nie zurückgemuht, das tat er nur, wenn wir ihn mit
Steinschleudern beschossen. Dann hüpfe er auf seinen Hinterfüßen herum und
muhte uns zu.
Der Sozi dafür redete gerne und immer. Auch, wenn er ganz
allein war, lange bevor es Handys gab. Er war auch richtig beliebt. Wenn er auf
ein Feuerwehrfest kam, dann gab es gleich ein Gegröle und alle winkten ihm zu.
Egal wo er sich hinsetzte, man spendierte ihm sofort ein Bier. Einmal setzte er
sich zu uns an den Tisch und ich kratzte mein Taschengeld zusammen und kaufte
ihm ein Bier, weil ich dachte das gehört sich so. In der Musikpause schob man
dann den Sozi immer auf Bühne, und dort wo vorher der Bürgermeister das
Feuerfest eingeweiht hatte, durfte dann der Sozi reden. An den Inhalt der Reden
kann ich mich nicht mehr erinnern, aber das ganze Feuerwehrzelt konnte sich vor
lauter Lachen nicht halten. Das wurde nur noch gesteigert, wenn es ihn von der
Bühne runtergebrackt hatte, das passierte immer wieder mal, dann musste man den
Sozi aus dem Schlamm ziehen – und er bekam unter großem Beifall ein nächstes
Bier.
Prost
Jürgen Weishäupl
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